Auf den Artikel der Salzgitter-Zeitung vom 30.12.2017 hat die Bürgerinitiative NEIN zum Industriegebiet SZ/BS jetzt mit einem offenen Brief an den Oberbürgermeister Frank Klingebiel reagiert.

Anbei ein Auszug aus dem Interview mit der Salzgitter Zeitung

(Quelle Salzgitter-Zeitung vom 30.12.2017 Artikel: „Das Jahr wird für die Stadt entscheidend sein“)

Ein weiteres folgenreiches Vorhaben für 2018 ist das interkommunale Gewerbegebiet bei Thiede. In Kürze soll das Ergebnis der Machbarkeitsstudie vorliegen. Zu vermuten ist grünes Licht für das gemeinsame Mammutprojekt der Städte Salzgitter und Braunschweig. Wie wollen Sie dann die sich zunehmend formierenden Gegner überzeugen, die Angst vor Lärm und der Verschandelung fruchtbaren Ackerlandes haben?

Wir werden uns hier eng mit unseren Nachbarn absprechen. Die Lenkungsgruppe wird Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth und mir die Ergebnisse vorstellen. Parallel werden beide Räte informiert, die Öffentlichkeit und die Beteiligten vor Ort. Auf Informationsveranstaltungen werden wir das außerdem ausführlich erläutern. Das halte ich für richtig. Am Ende geht es aber um die Abwägung von Interessen. Die Landwirte glücklich zu machen, alle Bedenken der Anwohner zu berücksichtigen und gleichzeitig ein Gewerbegebiet umzusetzen – das wird nicht gehen. Am Ende muss eine Entscheidung fallen – sachlich abgewogen, natürlich.

Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) spricht über die Herausforderungen Salzgitters für 2018.

Also wird es auf jeden Fall mindestens einen Verlierer geben.

Von Verlierern würde ich nicht sprechen. Wenn man glaubwürdig Politik betreibt, kann man nicht alle glücklich machen. Wenn Sie Entscheidungen treffen, werden viele partizipieren, aber andere unzufrieden sein.

Das ist eine Frage der Vermittlung.

Ja, das ist eine Frage der Kommunikation. Und Sie müssen den größtmöglichen Kompromiss erzielen. Das heißt, wenn 24-Stunden Betriebe nach der Studie nur in einem bestimmten Korridor zulässig sind, dann werden wir das so machen. Was mich an Protestbewegungen stört, ist die grundsätzliche Abwehrhaltung. Wir tun ja nichts anderes, als Daten und Fakten zu ermitteln. Dass bei einer Entscheidungsfindung die Beteiligten eingebunden werden – das ist doch absolut selbstverständlich.

Der Protest richtet sich weniger gegen die Vorgehensweise als gegen das Vorhaben grundsätzlich.

Es geht doch darum, der Stadt Braunschweig bei einem Projekt zu helfen, das ohne Salzgitter scheitert. Damit entwickelt sich die Region. Daran müssen wir unter Berücksichtigung unserer Interessenslagen mitwirken. Für mich ist wichtig: Wir werden weiter ein Industrie- und Gewerbestandort bleiben. Wir brauchen eine Sicherung und einen Ausbau der Arbeitsplätze. Immer nur zu sagen, wir müssen erst Restflächen vermarkten, ist nicht zukunftsorientiert. Salzgitter benötigt mehr Vorhalteflächen als andere Städte, weil das unsere Zukunftsentwicklung ist. Zudem erhöht eine gemeinsame überregionale Vermarktung doch die Erfolgsaussichten.

Wie groß ist denn die Nachfrage?

Das Problem ist, dass viele Unternehmen in Braunschweig anklopfen und keine Flächen erhalten. Wir haben die Areale. Aber bei uns klopfen weit weniger an. Fragen Sie mich nicht, woran das liegt. Außerdem geht es um die Kosten. Die Entwicklung des Industrie- und Gewerbegebiets kann Salzgitter mit seinem Haushalt nicht leisten. Wir müssen also über kreative Wege wie zum Beispiel eine Vorfinanzierung durch Braunschweig nachdenken und die Kosten über die Erlöse wieder ausgleichen.

 

Offener Brief an Herrn Oberbürgermeister Frank Klingebiel               

Ihr Interview mit der Salzgitter Zeitung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

wir wünschen Ihnen bei allen Ihren Amtsgeschäften im neuen Jahr eine glückliche Hand und persönlich alles Gute. Wir wenden uns an Sie, weil die Mitglieder der „Bürgerinitiative gegen das geplante Industriegebiet Salzgitter/Braunschweig“ mehr als irritiert sind über Ihre Äußerungen in der Salzgitter-Zeitung vom 30. Dezember.

Ihre Einlassungen können wir so nicht stehen lassen. Wenn Sie zum Beispiel sagen, dass man die Unzufriedenheit der Bürger in Kauf nehmen muss, nach dem Motto, der eine von uns behält die Oberhand, der andere zieht den Kürzeren. Es kann nicht sein, dass das Glück der einen, davon abhängt, dass andere unglücklich sind, weil Lärm- und Luftverschmutzung ihnen das Leben schwer machen.

Daher möchten wir Sie noch einmal daran erinnern, dass Ihre Wahl zum Oberbürgermeister möglich geworden ist, weil die Kanaldörfer Üfingen, Sauingen usw. sich massiv gegen die Genehmigung einer Kart-Bahn gewehrt haben, die Ihr Vorgänger vor den Toren unserer Dörfer errichten wollte. Das haben unsere Bürger bei der Wahl nicht vergessen. Der SPD hat das dann bekanntlich die entscheidenden Stimmen gekostet.

Aber nicht nur deshalb sind wir massiv irritiert über Ihre Worte. Sie sprechen von „Rest“-Gewerbeflächen, die Salzgitter noch zur Verfügung hat. Restflächen? Dabei weiß doch jeder über wieviel teuer erschlossene Gewerbe- und Industrieflächen Salzgitter verfügt (insgesamt 159 Hektar), auf denen bisher nur vereinzelte Unternehmen angesiedelt werden konnten. Wir als Bürgerinitiative sehen darin eine bewusste Irreführung, weil der Zweck offensichtlich die Mittel heiligt.

Dass es sich beim Thema Restflächen nur um ein vorgeschobenes Argument handelt, unterstreichen Sie selbst in dem Interview mit den Worten, die uns sprachlos gemacht haben, sie wüssten selbst nicht, woran es liegt, dass kaum Unternehmen in Salzgitter anklopfen…

An anderer Stelle sagen Sie, es gehe Ihnen darum, der Stadt Braunschweig bei einem Projekt zu helfen. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wer sagt, dass wir Braunschweig einen Gefallen schulden. Braunschweig macht es sich zu einfach, indem es ein riesiges Industriegebiet mit Lärm und Luftverschmutzung rund um die Uhr, auf die Grenze nicht nur zu Salzgitter, sondern auch zum Landkreis Peine setzt. Die Lasten haben dann bitteschön mehrere Ortschaften und Stadtteile der Stadt Salzgitter (darunter die Kanaldörfer und Thiede) sowie des Landkreises Peine (Gleidingen, Alvesse usw.) zu tragen. Und Sie, Herr Oberbürgermeister, machen sich für eine solche Sache zum Steigbügelhalter.

Haben Sie sich mal gefragt, warum das Projekt interkommunales Gewerbe- und Industriegebiet mit Gifhorn gescheitert ist bzw. nicht fortgeführt wird?

Um Ihnen die Problematik unserer Orte noch einmal deutlich vor Augen zu führen: Üfingen zum Beispiel ist laut einer aktuellen Verkehrszählung schon heute mit einem Durchgangsverkehr von 7000 Fahrzeugen pro Tag über die Maßen belastet. Zudem haben wir darüber hinaus das massive Image-Problem von Schacht Konrad zu tragen.

Aus dem Interview gewinnen viele Bürger insgesamt den Eindruck, dass das Ergebnis bereits feststeht, obwohl die Gutachten weder vorliegen noch ausgewertet worden sind. Damit tragen Sie massiv zur Staatsverdrossenheit bei. Wir appellieren daher an Sie, auch in Ihrer Funktion als Präsident des Niedersächsischen Städtetages, die Bürger fair zu behandeln. Das Interview war jedenfalls nicht dazu angetan.

Mit freundlichem Gruß

Eberhard Hentschel
Vorsitzender der Bürgerinitiative gegen das geplante Industriegebiet Salzgitter/Braunschweig